Integration des Personenwirtschaftsverkehrs in ein agenten-basiertes Verkehrsnachfragemodell (DFG)

Problemstellung

Die Expansion des Dienstleistungssektors in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat zu einer deutlichen Zunahme der durch berufliche Tätigkeiten verursachten Verkehre geführt. Besonders stark betroffen sind Dienstleistungsverkehre, die aufgrund der Notwendigkeit entstehen, Leistungen unmittelbar vor Ort zu erbringen – beispielsweise bei Einsätzen handwerklicher Fachkräfte oder in der ambulanten Pflege. Zur Erfassung dieser Entwicklung und zur Prognose der verkehrlichen Auswirkungen geplanter Maßnahmen kommen in der Verkehrsplanung Verkehrsnachfragemodelle zum Einsatz. In diesen wird jedoch der personenwirtschaftliche Verkehr, im Gegensatz zu etablierten Modellen für den privaten Personenverkehr und den Güterverkehr, bislang nur unzureichend berücksichtigt. Diese Forschungslücke lässt sich vor allem auf die begrenzte Verfügbarkeit mikroskopischer Daten zum Wirtschaftsverkehr zurückführen. Zwar erfassen klassische Haushaltserhebungen grundsätzlich auch beruflich bedingte Wege, doch sind diese oft unterrepräsentiert und hinsichtlich ihres Zwecks nur unzureichend spezifiziert. Zudem fehlen zentrale Hintergrundinformationen zu den Unternehmen, die den personenwirtschaftlichen Verkehr verursachen. Während makroskopische Modelle die komplexen Ketten von Wirtschaftsfahrten nur unzureichend abbilden können, mangelt es mikroskopischen Ansätzen an der nötigen Detailtiefe. All dies führt zu erheblichen Einschränkungen im Hinblick auf quantitative Prognosemöglichkeiten.

Projektziel

Das Forschungsziel liegt in der kausalen Modellierung der Nachfrage im Personenwirtschaftsverkehr. Im Rahmen des Projekts wird untersucht, wie die Nachfrage nach Dienstleistungen modelliert und quantifiziert werden kann und wie die Zuordnung zwischen Nachfragenden und Anbietenden im Dienstleistungssektor abgebildet werden kann. Aufbauend auf der so generierten Nachfrage soll analysiert werden, wie die internen Betriebsprozesse – insbesondere die Verteilung von Arbeitsaufträgen auf Mitarbeitende – gestaltet sind und modelliert werden können, um realistische Verhaltensmuster im Personenwirtschaftsverkehr abzubilden. Das Modell soll dadurch auf Schwankungen in der Nachfrage und Konjunktur reagieren können, um etwa die zunehmende Relevanz des Dienstleistungssektors und deren Auswirkungen auf das Verkehrssystem fundiert analysieren zu können. Ein weiteres Teilziel besteht darin, den Personenwirtschaftsverkehr gemeinsam mit der privaten Verkehrsnachfrage zu modellieren, um so die Wechselwirkungen zwischen privatem und personenwirtschaftlichem Verkehr angemessen zu berücksichtigen.

Methode

Zunächst werden vorhandene Datenquellen zum Personenwirtschaftsverkehr systematisch analysiert. Dabei werden relevante Kennzahlen ermittelt und zueinander in Beziehung gesetzt. Im Anschluss erfolgt die Erzeugung einer synthetischen Wirtschaftsstruktur und Modellierung der Arbeitsplatzwahl, bei der Agenten im Modell den jeweiligen Unternehmen zugeordnet werden. Hierbei fließen verschiedene Merkmale ein, darunter die Tätigkeit, Branche und Arbeitszeiten der Beschäftigten. Auf Grundlage der Ergebnisse des Arbeitsplatzwahlmodells werden spezifische Modellansätze zur Abbildung des Personenwirtschaftsverkehrs entwickelt. Zu Beginn wird der Dienst- und Geschäftsverkehr betrachtet, der durch Wege entsteht, die beispielsweise aus Besprechungen in anderen Unternehmen oder an verschiedenen Standorten des eigenen Unternehmens resultieren. Daraufhin werden Methoden zur Modellierung des Dienstleistungsverkehrs untersucht. Hierbei werden zunächst Dienstleistungsaufträge generiert und an die im Modell verankerten Unternehmen verteilt. Es gilt, sowohl interne als auch externe Strukturfaktoren zu berücksichtigen, wie etwa die Präferenzen der Dienstleistungsanbieter sowie der Kunden. In diesem Zusammenhang werden umfassende Erhebungen bei Privatpersonen und Unternehmen durchgeführt. Die internen Prozessfaktoren der Unternehmen fließen schließlich in die Einsatz- und Tourenplanung ein. Die Implementierung und Anwendung des entwickelten Modells erfolgt exemplarisch über die institutseigene, open-source Software mobiTopp.